Sie wächst in alle Richtungen, bevor sie überhaupt eröffnet worden ist. Und das nicht nur optisch, sondern auch ideell. »Die Wachsende Kirche sorgt lange vor Beginn der Landesgartenschau 2012 in Nagold als Wahrzeichen der Ökumene für Emotionen«, sagt Dekan Ralf Albrecht. Der Vorsitzende der Steuerungsgruppe Kirchen auf der Landesgartenschau weiß, dass mit dem einzigartigen Gotteshaus aus Lindenbäumen und Weiden auch der Zusammenhalt der christlichen Gemeinden wächst.
Doch obwohl das Gemeinschaftswerk sichtbar Gestalt annimmt, kann man ihr über die Wochen und Monate nicht wirklich beim Wachsen zusehen. »Also steckt in der Wachsenden Kirche Entschleunigung und Dynamik zugleich«, sagt Ralf Albrecht. »Jeder, der diesen Raum betritt, wird ein Teil des Wachstumsprozesses, ob er will oder nicht«, ist er überzeugt, »denn da wächst auch was im Glauben, betreten doch viele, die die Wachsende Kirche besuchen werden, zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein kirchliches Gebäude.« Das »Kreatürliche« der Wachsenden Kirche spiegele das Leben wider, angefangen beim zarten Pflänzchen, das man für dieses Gotteshaus aufgezogen habe, bis zur Spätlese im Herbst, wenn es über die Gartenschau hinaus als Raum des Gebets Bestand haben werde.
Dass mit der Wachsenden Kirche eine »neue Tür des Glaubens aufgeht«, hofft auch der katholische Dekan Dr. Edgar Jans. »Was hier wächst, bereichert sicher den Glauben«, ist der Leitende Pfarrer der Seelsorgeeinheit Oberes Nagoldtal überzeugt, schließlich sei der Glaube einem lebenslangen Wachstumsprozess unterworfen. Mit der Wachsenden Kirche komme man der Schöpfung ganz nahe, weil sie aus der Natur heraus ohne technische Hilfsmittel heranwächst. »Als Christen stecken wir natürlich mitten in der Verantwortung für die Schöpfung.« Schon jetzt habe das Gemeinschaftswerk der christlichen Kirchen auf jeden Fall eines bewirkt: »Wenn man ein derart großes Projekt stemmt, wächst auch das Miteinander und damit die Ökumene.«
Das Bild von Wachstum in der Natur habe Jesus gerne verwendet, erinnert Dr. Jonathan Whitlock, Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche in Nagold, »um Gottes Wirken in unserem Leben und im Leben unserer Kirchen zu verdeutlichen«. So spreche er zum Beispiel vom Samen in der Erde, den der Mensch zwar gesät hat, der ober ohne sein Zutun über die Zeit keimt und sich stetig entwickelt, bis die Frucht reif für die Ernte ist. Damit werde auf das Geheimnis von Gottes Segen verwiesen. »Der Segen ist etwas, über das wir nicht verfügen und das wir selbst nicht hervorbringen können. Es ist aber etwas, das wir in unseren Herzen, unseren Gemeinden und unserer Gesellschaft zulassen können«, so der Pastor. Die Wachsende Kirche möchte er auch als Ort sehen, »in dem wir uns für Gottes Segen öffnen und ihn zulassen können«.
Durch die begleitenden Ausstellungen in der Friedenskirche, die in das Gartenschaugelände integriert ist, sollen nach dem Wunsch der Organisatoren auch Erkenntnisse über Gott und die Welt wachsen. Die Beiträge der christlichen Kirchen zur Landesgartenschau reichen von regelmäßigen Gottesdiensten, Andachten und Gebetsstunden über Aktionstage und festliche Anlässe bis zur Veranstaltungsreihe »Unter den Linden«, in der mit interessanten Gästen über kirchliche wie weltliche Themen diskutiert wird.